17.11.2017 Studientag

Gestern hat mich Eva in ein schönes Konzert des Parnas Ensemble eingeladen. Danach ging es durch die zauberhafte Altstadt und in einem kleinen gemütlichen Lokal haben wir den Tag bei einem Glas sehr edlen Wein ausklingen lassen. 

Dabei frage ich mich: Wie schafft sie das nur alles? Schule, Familie und abends Konzerte geben!

Morgens laufe ich letztmalig zu meiner futuristisch aussehenden Metrostation zur "Arbeit". Ich treffe mich mit Eva. An der Schule ist Studientag und wir haben ganz viel Zeit für Gespräche. Im Erdgeschoss der Schule befindet sich die Schulbibliothek. Sie besteht aus drei schönen Räumen. Im ersten kann man sich anmelden und bequem auf Sitzsäcke gelümmelt in Zeitschriften und Comics lesen. Im nächsten Raum gibt es dann diverse Spiele und der dritte Raum ist mit vielen Büchern ausgestattet. Hier ist es ganz ruhig. Für diese Einrichtung ist eine Bibliothekarin eingestellt. Sie ist jeden Tag ca. 4 bis 5 Stunden für die Kinder da und ein beliebter Ansprechpartner. Um die Kinder zum Lesen zu animieren, denkt sie sich immer neue Sachen aus. Beispiel: Wer nach einem gelesenen Buch einen Fragebogen dazu beantwortet, bekommt eine Perle geschenkt. Deshalb also hängen neben ihrem Schreibtisch so viele halbfertige Armbänder! Ein schöner Ansporn zum Lesen! Ein Jammer, dass wir für die Bibliothek in Geltow nur eine Lehrerwochenstunde verwenden können. Hier sind uns die Tschechen weit voraus, genau wie in der gesamten Ausstattung der Schule. Neulich vergaß ich übrigens, dass natürlich auch ein Computerraum existiert. Wer am PC arbeiten will (egal ob Schüler oder Lehrer), findet immer eine Möglichkeit. Das wollen wir gar nicht vergleichen. Die volle Arbeitszeit für einen tschechischen Lehrer beträgt 22 Stunden. Das hört sich gut an. Weniger das Gehalt. Die Schulleiterin meint, dieser Job sei eher eine Berufung, als zum Geldverdienen gedacht. Da geht der Pluspunkt also eindeutig an Deutschland.

In den Tagen an der Schule habe ich 24 Stunden hospitiert und 2 selbst erteilt. Ich durfte sehen, wie Dekorationen für eine Weihnachtsveranstaltung vorbereitet werden, habe den sinnvollen Einsatz der interaktiven Tafel erlebt, durfte dem Flötenkonzert einer Kasse lauschen, mir verschiedene Unterrichtsmaterialien anschauen und habe viele Lernspiele erleben. "Simon sagt..." wird es sicher auch bald in Geltow geben. Beeindruckt haben mich auch die verschiedenen Merkübungen in Mathematik und beim Vokabeltraining. Gleichzeitig eine schöne Konzentrationsübung! Das mache ich auf jeden Fall nach.

Aber wie funktioniert das mit der Differenzierung? Ich weiß ja schon, dass es im Fremdsprachenunterricht grundsätzlich eine Teilung der Klassen gibt. Außerdem erhalten die begabten Kinder eine zusätzliche Stunde, die für die weniger begabten zur Förderung in den Hauptfächern genutzt wird. Aber im Unterricht selbst gibt es sehr wenig differenzierte Angebote. Die Lehrer gehen verständnisvoll mit Schülern um, die Schwierigkeiten haben. Sie gehen an den Platz, geben Unterstützungsmaterial und eventuell auch etwas mehr Zeit. Oft erhalten diese Kinder auch weitere Aufgaben für zu Hause, um dort noch zusätzlich zu üben. Kinder, die mit Aufgaben sehr schnell fertig sind, erhalten zusätzliche Aufgaben. Individuelle Lernpläne werden nur für Kinder mit ADHS erstellt, ansonsten macht es jeder Lehrer so, wie er es für richtig hält. Eva meint, alle müssen den Lernstoff können, denn an weiterführenden Schulen wird niemand auf die schwächeren Kinder Rücksicht nehmen. Vielleicht wird deshalb so stark mit allen Sinnen gelernt, wie ich das in verschiedenen Stunden erleben durfte? Das hat mir sehr gut gefallen. Offenen Unterricht habe ich nicht gesehen. Das sei normal, meint Eva. Diese Lernformen werden wenig verwendet. 

Beeindruckt hat mich auch der respektvolle Umgang aller. Das war einfach schön. Ich habe mich gefreut, dass ich zu so vielen Kollegen zum Hospitieren gehen durfte und habe aus jeder Stunde etwas für mich mitgenommen. Das war wirklich ein Gewinn! 

Aber heute haben alle frei und nach "unserer" Arbeit begleitet mich Eva in die Stadt. Seit knapp 46 Jahren kenne ich Prag und habe die Stadt mindestens 30-mal besucht. Trotzdem gibt es immer wieder etwas zu entdecken, sogar für Eva. Durch eine kürzlich gelesene Novelle angeregt, möchte ich unbedingt nach Vysehrad. Eva hat früher unweit der Burg gewohnt und kennt den Weg. Auch der Regen schreckt uns nicht ab, über das Gelände zu stromern und einen Blick vom Felsen auf die Moldau zu werfen. Ganz überrascht sind wir über die Kirche, die komplett im Jugendstil ausgemalt ist. Wir können uns gar nicht satt sehen und fühlen uns in die Zeit von Alfons Mucha versetzt. Das Grab von Mucha ist übrigens auch hier auf dem Kirchhof, neben vielen anderen berühmten oder bekannten Persönlichkeiten. Als wir wieder die Stadt erreichen, sind wir froh, dass wir einen Ausflug gemacht haben. Es brummt nur so von Menschen. Zum heutigen Tag der Demokratie macht jeder seine eigene Demo. Auf dem Altstädter Ring kommen uns Menschen als Schweine, Kühe, Gänse und andere Tiere verkleidet entgegen (Tierschützer), etwas später sehen wir eine kleine Bühne, auf der ein Mann mit einem Megaphon seine Botschaften in die Welt brüllt, dann folgt Bühne auf Bühne, Demo auf Demo und dazwischen quetschen sich die Touristen. Nur schnell weg. Eva hat heute wieder einen Auftritt, ich fahre ins Hotel. Die Sachen müssen gepackt werden. Morgen fährt mein Zug. Der Abschied wird mir schwer fallen. Danke liebe Eva, danke liebes Kollegium für die schöne Zeit!

 

 

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